Marrakesch-Guelmim

14.12.2018
Mein Gepäck ist gepackt und ich fahre vom Haus zu Pikala Bikes. Nach einer halben Stunde habe ich mich dann schliesslich von allen verabschiedet. Manch einer oder eine wünschte wohl ich wäre noch länger geblieben. Doch die Wüste ruft.
Schliesslich bin ich raus aus der Stadt und als ich die verschneiten Berge des Atlas erblicke, bekomme ich Heimweh. Und ich freue mich. Endlich wieder Berge.


Nach einer Nacht auf einer Raststätte, ich wurde sogar noch zum Abendessen eingeladen, beginnt schliesslich der Aufstieg zum Tizi n Tichka Pass. Der Pass steigt nicht zu stark an, und das Wetter ist top. Aber die Strasse liegt an vielen Bergwerken, so dass immer wieder unasphaltierte Abschnitte kommen. Zum Glück habe ich meinen Turban, der mich vor dem grössten Staub schützt. Dafür beschlägt meine Sonnenbrille ständig. Gut gelaunt, geht’s den Berg hoch. Immer wieder muss ich auf den Seitenstreifen fahre um LKWs und Autobusse vorbeizulassen.

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Nach einer Rast in einem Café in einem kleinen Ort, beginnt dann der letzte Aufstieg, der eigentliche Pass. Gut asphaltiert und mit wenig Verkehr nur eine Sache der Ausdauer. Auf der Passhöhe angekommen steht ein kleines Restaurant, auf dessen Spielplatz ich mein Zelt aufschlagen darf. Ich habe diesen Platz wegen der Aussicht und den Sternen gewählt. Ich bin auf 2180 Metern Höhe. Und ich bin froh Berge um mich zu haben, die denen in meiner Heimat gar nicht so unähnlich sind.
Ich fotografiere ein wenig und als die Sterne aufstehen, bleibe ich noch lange wach und sehe in den Himmel.
Der Morgen ist arschkalt. Es muss um die Null Grad kalt sein. Trotzdem zwinge ich mich nach einigen Minuten doch noch aus dem warmen Schlafsack und noch vor Sonnenaufgang stehe ich auf einem Hügel und fotografiere. Leider ist das Licht doch nicht so schön wie ich gehofft hatte. Aber der Ausblick über den Atlas, mit den nebelverhangenen Bergen am frühen Morgen ist trotzdem sehr schön.

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Die Passstrasse hinab ist die Hölle. Aufgebrochener Asphalt, macht den Weg zu einer Holperstrecke, so dass ich nur halb so schnell fahren kann wie ich möchte. Doch das ist nicht das Schlimmste. Die Marokkaner, allen voran die grossen Reisebusse fahren wie Sau. Ausweichen oder Bremsen ist nicht. Einfach fahren, einfach mal in einer engen unübersichtlichen Kurve überholen.
Aber ich lebe noch und schliesslich erreiche ich auch eine schöne ebene und Verkehrsarme Strecke.
Ich fahre nicht direkt nach Ouarzazate sondern erstmal nach Ait Ben Haddou. Eine Piste von 6 Kilometern führt mich durch die erste Halbwüste zu diesem Dorf. Das Geholper auf der Steinigen Piste lässt mich um meine Ausrüstung fürchten. Nicht gut für die Elektronik.
Im Dorf selbst unterhalte ich mich mit den Händlern und mir gelingen einige gute Fotos. Übernachten kann ich neben dem Haus von einem der Händler.
Am nächsten Tag komme ich gegen Mittag in Ouarzazate an. Genauer gesagt erstmal in den Atlas Studios. Bekannt von allerlei Filmen wie, Kingdom of Heaven, Asterix und Kleopatra und vielen anderen, stehen die Requisiten immer noch herum. Auch die Burg die in Kingdom of Heaven erstürmt wurde. Komplett mit Belagerungsturm, Rammbock und Trebuchet. Ich kann es mir natürlich nicht nehmen lassen, mit dem Fahrrad da hin zu fahren und Fotos zu schiessen. Eintritt kostet es eh nicht, nur ein Wächter passt auf, dass man nichts anzündet.

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In Oaurzazate selbst will ich mich auch auf die Wüste vorbereiten. Ein Berber mit blauer Djellaba und schwarzem Turban hilft mir einen Wasserkanister zu finden. Aber irgendwie muss ich das Ding dann noch auf das Gepäck obendrauf bekommen. Abdelwahid, so der Name des Berbers besorgt mir eine Tasche und bei einem Schneider lässt er mir auch noch vier Löcher nähen, so dass ich alles perfekt befestigen kann. In Abdels Laden, gibt es vor allem Kleider und Schmuck zu kaufen, auch Teppiche und alles Mögliche. Er selbst ist früher mit den Kamelen von Dorf zu Dorf gezogen, um Kunstgegenstände zu handeln. Aber heute, so sagt er mir, geht alles nur noch mit dem 4x4.
Ich kaufe schliesslich noch einen metallenen Anhänger, mit dem man nachts die Nordrichtung bestimmen kann.
Wir reden viel und erzählt mir auch sehr interessantes über die Berber der Gegend, während ich immer wieder ablehne einen Teppich zu kaufen.
Mein Lager schlage ich abends auf dem Campingplatz auf, kehre aber wieder zu Abdel zurück. Schliesslich bin ich zum Abendessen eingeladen. Wir essen auf dem Dach, dem dritten Stock des Ladens. Eine schmale Treppe führt hinauf, das Dach besteht aus einer Schlafkammer in der ein paar Kleidungsstücke liegen und einer offenen Fläche wo allerlei Gerümpel steht. Und ein kleiner Herd. Ein Kühlschrank ohne Türe dient als Regal, der Tisch auch gleichzeitig als Schneidebrett.

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Ein Berber mit hellbraunen Haaren und blauen Augen isst zusammen mit uns. Es irritiert mich einen für mich eindeutigen Europäer nur Arabisch sprechen zu hören. Aber das ist so, da die Berber als Volk von Händlern unterwegs sind.
Am Morgen auf dem Campingplatz mache ich mich daran, zu waschen reparieren und meine Batterien zu laden. Beim Waschen von meinem Turban werden meine Hände blau. Scheisse, Diese Arschlöcher in Marrakesch haben mir Scheisse angedreht. Auch der Kanister hat Wasser verloren, welches in mein Zelt gelaufen ist.
Als ich mit all meinen Sachen zu Abdel fahre, auch noch einen Platten, der zweite auf meiner Reise.
Also neuer Schlauch und dann bin ich auch schon vor dem Laden. Abdel will mir natürlich helfen. Als erstes wird ein neuer Kanister besorgt. Aber auch der rinnt. Man muss ein Stück Plastik auf das Gewinde stecken, damit die Dinger dicht sind. Das ist normal. Wir versuchen aber trotzdem noch Dichtungsringe zu organisieren, doch auch die bringen nichts. Also doch mit Plastik.
Wir verbringen den Tag dann mit vor dem Laden Tee trinken, ab und zu kommen ein paar Kunden, dann unterhalte ich mich mit anderen Leuten, und reden über Sachen, über die Männer vor Läden hockend eben so reden. „Ja die ist nicht schlecht, oh schau mal da!“ „Nein Gott ist keine Frau!“ „Doch“. Und so weiter.
Wir haben Zeit, etwas was ich an meiner Reise so liebe. Wenn es anders kommt „Ma Muschkila“, kein Problem.
Abdel verkauft mir dann einen richtigen Turban, acht Meter lang und hellblau, die Farbe der Tuareg. Er zeigt mir auch wie man einen solch langen Schal anlegt. Je nach Wind, Wetter und Temperatur kann man ihn anders tragen. Abdels schwarzer Turban hat sogar 15 Meter. Auch die Djellaba wird ausgetauscht, Sommerdjellabe gegen Winterdjellaba. Meine alten Sachen gebe ich in Zahlung. Sie waren keinen Bruchteil des Preises wert…
Es ist bereits Abend und ich nehme Abdels Einladung bei ihm zu übernachten an. Mein Zelt schlage ich auf dem Dach im dritten Stock auf. Auf dem Markt kaufen wir Fleisch, welches ich dann zu Spiessen verarbeite.
Es ist Nacht, als wir auf dem Dach essen, Die wenigen Sterne die man sieht sind klar, Abdel erklärt mir, welche er als Berber zur Navigation nutzt. Die Poêle, den Polarstern und zwei andere Sterne.
Ich fühle mich wie Aladin oder Ali Baba, als wir zu viert auf dem Dach sitzen. Ich bin Aladdin, Otto der kleine Affe, meine Prinzessin ist in Marrakesch und der Geist und der fliegende Teppich erklären sich von selbst, wenn man sieht was meine Freunde gerade rauchen…
Wir legen uns schliesslich schlafen. Nicht im Zelt, sondern im zweiten Stock im Teppichlager. Auf den Teppichen und mit Decken schläft es sich doch einiges besser.

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Am nächsten Morgen oder besser gesagt Nachmittag, Zeit ist relativ, verbschiede ich mich schliesslich und fahre Richtung Atlas.
Bis Guelmim ist alles bergig. Ich bin immer zwischen 1000 und 1800 Höhenmetern. Teilweise ist die Landschaft wüstenartig, voller Felsen und Steine, dazwischen Büsche und Akazien. In den Flusstälern hingegen oft Grüne Stellen, Gras, Palmen, Kulturpflanzen. Die einzige Schlange die ich je in Marokko gesehen habe, habe ich dummerweise überfahren.
Ich fahre über Tafraoute und Tazenakht und wähle eine Strecke neben der Hauptroute. Diese führt mich stetig ein Flusstal hinauf, vorbei an ursprünglichen Dörfern, Frauen die gebückt Bündel von Büschen ins Dorf tragen, Hirten, die die Schafe und Ziegen mit der Steinschleuder bewachen. Über Flussbette, wo die Brücke weggeschwemmt wurde, und immer wieder Kinder die „Stylo, donnez moi un Stylo rufen“. Wie soll ich ihnen klarmachen, dass ich nur einen Stift für zwanzig Kinder habe?

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Ich gebe den einen Stift dann später einem Kind. Mit schmutzigem Gesicht und offenbar alleine auf dem Nachhauseweg fragt es mich ganz schüchtern nach einem Stylo. Ich gebe es ihm und auch noch eine Mandarine. Winkend mit der Mandarine in der Hand schlendert es dann nach Hause.
Ein anderes Mal fahren zwei Männer auf einem Roller neben mir her. Wild gestikulierend wollen sie mir etwas sagen. Aha, Ich soll zwei Eichhörnchen um Mitternacht beim Regebogen abholen. Ne doch nicht. Ach zum Essen wollen sie mich einladen. Gut dass ich ein wenig arabisch kann.
Wir biegen ab und überqueren einen ausgetrockneten Fluss.
Dort steht eine Lehmhütte vor der ein Generator Grundwasser pumpt. Gutes klares, leckeres Wasser, was für eine Wohltat nach langer Zeit ohne Dusche.
Sie laden mich in die dunkle Hütte ein. Ein Teppich auf dem Boden, ein paar Kissen, eine kleine Kochstelle. Während der eine, es sind drei Männer die Tajine kocht, unterhalte ich mich mit den anderen, versuche mein Arabisch anzuwenden, mit dem ich erstaunlich weit komme. Wir unterhalten uns und lerne dabei neue Wörter.
Nach dem Essen nimmt einer sein Handy hervor und zeigt mir alle seine Familienfotos. Dann macht er YouTube an und wir schauen Charlie Chaplin. Auf Berberisch. Und wir lachen. Chaplin funktioniert wohl in jeder Sprache. Sie zeigen mir dann auch noch die Felder mit den Kürbissen rund um die Hütte und mit ein paar Zeichnungen im Sand verstehen wir uns prächtig.
Leider kann ich die Einladung zum Übernachten im Dorf nicht mehr annehmen und fahre weiter.
Die Nächte sind teilweise arschkalt, die Tage gut aushaltbar. Abends bis etwa zehn Uhr bleibe ich immer noch vor dem Zelt und bewundere die Sterne und die Milchstrasse, die sich bei mondlosem Himmel in voller Pracht zeigt. Nur in den Dörfern wird die Pracht durch die Lichter und die ewig bellenden Hunde gestört.
Einfach wunderbar in einer völlig klaren, lautlosen Nacht dazustehen und die Sterne anzusehen. Und ich möchte in diesen Momenten genau jetzt, genau hier, genauso sein.

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