27.11.2018

Um Mittag rum erreiche ich Marrakesch. Ich bin ein wenig müde und beschliesse erstmal einen Kaffee zu trinken. Ich werde natürlich wieder mal eingeladen, mit der Einladung auf ein Couscous.
Aber ich muss erstmal ablehnen, verspreche aber mich wieder zu melden.
Ich fahre dann durch die engen Strassen bis ich schliesslich Pikala Bikes finde. Die Leute hier, besonders die Mofafahrer fahren wie Sau, hauptsächlich ankommen und bloss nicht bremsen. Es ist nicht einfach hier zu navigieren.


Auf einem Schild steht gross geschrieben „Holland Bicycle Atelier“. Es ist eine Art Halle, vollgestellt mit seltsamen Fahrradkonstruktionen, Mietfahrrädern und solchen zum Verkaufen.

Hier ist die Geschichte meiner Erlebnisse mit Pikala

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Im erhöhten, hinteren Teil befindet sich die Werkstatt, die gut ausgerüstet ist. Ein paar Fahrräder werden repariert, eine blonde Holländerin ist dabei, Bikekörbe zu designen und drei Hunde und eine Katze schleichen umher. Die Tiere gehören irgendwie einfach dazu und immer wieder müssen die Leute die Hunde zurückscheuchen, wenn diese wieder mal einen anderen Hund oder ein Auto anbellen gehen.
Ich werde sofort freundlich aufgenommen, zum Essen eingeladen und ich kann einen Grossservice an meinem Fahrrad durchführen. Ich kann erst später ins Haus von Pikala, wo ich unterkomme, und so unterhalte ich mich mit den Leuten, während wir allerlei Kunst-Fahrräder in Position für die Ausstellung am Abend bringen.

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Pikala! Come Here! Hört man immer wieder. Es ist der Name des Hundes. Seltsam einen Hund Fahrrad zu nennen, denn Pikala ist der marokkanische Name für Fahrrad.
Über meine Zeit mit den Leuten von Pikala habe ich einen extra Bericht geschrieben, diesen findet ihr hier.
Ich bekomme eine Couch in dem Haus, in dem auch die nicht Einheimischen Mitarbeiter untergebracht werden und ehe ich mich versehe verbringe ich statt zwei ganze fünf Tage in Marrakesch.
Am nächsten Tag gehe ich in die Medina. Doch ich fühle mich nicht wirklich wohl. Die Leute dort sehen in mir nur den Touristen und einen Sack voll Geld. Es ist fast unmöglich ein gutes Foto zu bekommen. Entweder wollen die Leute nicht fotografiert werden oder wollen Geld dafür. Es sind auch zu viele Touristen im Bild, so dass ich davon nicht viele Bilder machen kann.
Ich laufe also ohne Ziel durch die Marktgassen und unterhalte mich schliesslich mit einem der Händler. Es geht um meine Reise und als ich im erzähle, dass ich einen richtigen Turban brauche für die Wüste, will er mir zeigen, wer die echten verkauft. Wir gehen also zu einem der Händler, wo mir die Tücher in dunklem Blau und Schwarz gezeigt werden. Sie zeigen mir, wie man sie richtig anzieht und ich nehme sogar noch eine Djellaba (traditionelles Ganzkörperhemd, sieht aus wie ein Pyjama).

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Dann beginnt das Feilschen. 80 Euro will er. Ich sage 60. Er sagt 70. Ich sage 65. Er sagt ok.
Ich bezahle und verlasse den Laden. Verdammt, ich wette ich habe zuviel bezahlt.
Ich laufe dann noch über den grossen Marktplatz, wo Leute traditionelle Musik machen, kleine Affen für Fotos spazieren geführt und Schlangen beschwört werden. Ich unterhalte mich mit einem der Schlangenhalter über die Schlangen und am Ende des Gesprächs will auch er Geld. Nope! Ich bin längst zu abgebrüht um jeden der etwas will Geld zu geben und laufe davon.
Zurück bei Pikala bestätigen mir meine Freunde, dass ich etwa das Doppelte bezahlt habe. Ich lache, ob vor Scham oder weils einfach lustig ist kann ich nicht genau sagen. Jedenfalls darf man als Tourist niemals ohne Local irgendetwas, was nicht ausgezeichnet ist kaufen. Man wird immer zu viel bezahlen.
Aber zum Glück habe ich Freunde bei Pikala gefunden. Sie kennen alles hier und nehmen mich immer irgendwohin mit. Wir fahren Nachts mit den Fahrrädern durch die beleuchteten Strassen und Gassen, sie zeigen mir was man wo kaufen kann, bringen mir bei, wie man marokkanischen Tee kocht, dass man immer dem Ehrengast zuerst gibt und der der Tee ausschenkt immer schauen muss, dass alle haben. Sie lehren mich neue Dinge, Helfen mir einen neuen Pneu zu finden, und nehmen mich eines Nachts auf einen Hügel mit, von dem aus man über die Stadt schauen kann und tolle Fotos machen kann.
Ich gehe auch auf eine Biketour mit anderen Touristen. Gratis für mich. Wir fahren durch die Stadt mit den Rädern und sehen uns die Stadt an. Dummerweise werden mir mein Leatherman und das Repairtool vom Fahrrad geklaut, aber meine Freunde kennen die Leute hier. Sie wissen, wer es war und sie werden dafür sorgen, dass ich es wieder zurückbekomme. Inshalla.
Issam ist der Administrator von Pikala und wir sind längst Freunde geworden. Er erzählt mir, dass er Berber ist und dass er zusammen mit seinem Freund ein Projekt aufstellen will, um die Tamazihrt Sprache und Kultur zu erhalten. Sie wollen zusammen Kurse für Touristen anbieten, in denen sie den Leuten Sprache und Kultur näherbringen wollen.

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Ich bin sofort dabei und erkläre mich einverstanden für sie eine Lektion zu filmen und zeige Issam auch wie man eine Website ohne Geld aufbauen kann.
Ich treffe den Lehrer, Hamid, ein junger Mann, dem man nicht ansehen würde, dass er so ein grosses Interesse an seiner Kultur hat.
Er erzählt mir, wie die Tamazir, wie die Berber wirklich heissen, wieder anfangen ihre Kultur zu entdecken sie zu bewahren. Er erzählt mir, dass die jungen Leute die Sprache nicht mehr sprechen, während die 90er Generation sich allmählich dafür einsetzt dass die Sprache und Kultur wieder auflebt. Sogar auf Gran Canaria, wo ursprünglich auch Berber leben, kämpfen die Leute wieder für ihre Kultur.
Wir erreichen das Café und zusammen mit zwei jungen Frauen aus Deutschland, ich kenne sie von der Pikala-Tour, beginnt dann die Lektion. Während ich zwischendurch filme und Fotos mache, erklärt uns Hamid woher die Kultur kommt, was die Schriftzeichen bedeuten und die Unterschiede zwischen den Dialekten. Wie man meinen Namen schreibt und was die Flagge bedeutet. Die Mädels und ich sind sehr interessiert und ich freue mich, diese Gelegenheit zu haben.
Nur die heisse Kanne Tee, die ich mir aus Versehen über die Beine schütte trübt meine Laune kurzfristig.
Ich muss den Kurs leider dann abbrechen, ich bin noch zum Couscous essen bei meinen Freunden eingeladen. Wir sind zu viert, vier Junge Männer und haben Spass dabei uns Reisegeschichten zu erzählen, mir Manieren beizubringen und Couscous zu essen. Sie erzählen mir dass das, Mange! Mange! (Iss!Iss!) das mir immer wieder gesagt wird auch als halt die Klappe verstanden werden kann.
Und dass wenn man Angst hat zu wenig zu bekommen einfach den anderen seine Lebensgeschichte erzählen lassen kann, so dass er nicht zum Essen kommt.
Sie erzählen mir auch von einem Erdölauszug, schwarz, klebrig und stark riechend, den man um das Zelt spritzt und damit Schlangen und Skorpione abhalten kann. Es wird auch zum desinfizieren benutzt und sie werden mir eine Flasche besorgen.

Würde ein normaler Hotel-Medina-Hotel-Tourist jemals so etwas erleben?

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