Guelmim-El Ouatia

25.12.2018

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In Guelmim angekommen, will ich mich gerade in ein Café setzen, als ich auch gleich angesprochen werde. Ich setze mich an den Tisch und beantworte geduldig alle Fragen um meine Reise, wie es halt so Standard ist. Dann kommt noch ein zweiter Mann hinzu. Seine Haut ist von der Sonne verbrannt, sein Turban Schwarz und er dunkle, freundliche Augen. Aziz ist Beduine und Kamelhändler und wir unterhalten uns ein wenig. Überraschenderweise spricht er gut deutsch. Offenbar leben viele Nomaden ein Doppelleben zwischen dem modernen Leben dem Nomadensein. Er erklärt mir, dass er zwar sehr gerne in der Wüste ist, aber ebenso zur Universität gegangen ist um zu lernen. Und er will mich am Samstag mitnehmen auf den Kamelmarkt, für den Guelmim bekannt ist.

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Man muss dazu sagen, dass Guelmim lange Zeit das Tor zur Wüste war, als die letzte grosse Stadt vor Timbuktu und als Ausgangspunkt für den Handel mit dem Norden. Die Königsfamilie stammt von hier und hier begannen viele geschichtsträchtige Ereignisse. Die Stadt selbst ist nichts Besonderes, es gibt keine Monumente und nicht mehr viel Historisches.
Überraschenderweise kommt plötzlich ein Europäer dazu. Jakob, 32 aus Österreich ist ein Bikenomade wie ich und überlegt sich, ob er nach Mauretanien runter fahren soll, da er wegen dem Visa aus Marokko ausreisen muss.
Wir tauschen die Telefonnummern aus und dann mache ich mich auf zum Campingplatz. Dieser liegt 18km ausserhalb in Tinghir, liegt in einer Oase und ist sehr gepflegt. Drei Beduinenzelte aus Stoff mit Teppichen auf dem Boden stehen als Gemeinschaftsraum zur Verfügung. Ich nehme die ersten zwei Nächte erstmal ein Zimmer. Die Dusche ist eine echte Wohltat nach so langer Zeit. Endlich kann ich meine Geräte laden, Sachen in Ordnung bringen und die Sachen für die Weiterreise besorgen.
In einer uralten Waschmaschine kann ich sogar meine Wäsche waschen. Es hat ein paar Wochen zuvor geregnet, und das Grundwasser, was sie hierfür verwenden ist braun. Kein Problem erklärt mir der Angestellte. Naja, trotz des braunen Wasser und der alten Maschine, werden meine Sachen ordentlich sauber. Nur mein schönes weisses Rockyshirt weisst jetzt einen leichten Braunstich auf.
Der Besitzer des Campingplatzes Aiin Nakhla hat lange in Deutschland gelebt und bietet einen super Service und nimmt sich auch die Zeit mit den Gästen zu quatschen.

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Am nächsten Tag treffe ich dann Jakob wieder, und wir beschliessen gemeinsam zumindest bis Mauretanien zu fahren. Er quartiert sich dann ebenfalls auf dem Campingplatz ein und während ich stundenlang meine Reiseberichte schreibe und Updates mache, Fotos sortiere und Ausrüstung in Ordnung bringe, sieht er sich ein wenig die Gegend an.
Abends gibt’s jeweils ein Tajine und wir reden bis spät abends noch im Beduinenzelt mit dem Besitzer über Gott und die Welt.
Am Samstag geht’s dann auf den Kamelmarkt. Es ist eigentlich nur ein grosser Souk(Markt), dominiert von den Gemüseständen, und der Fleischerei. Die Zeiten in denen tausende Kamele ihren Besitzer gewechselt haben sind längst passé. Inzwischen stehen nur noch etwa 50 Kamele da und gefeilscht wird eher um die Ziegen, die mit zusammengebundenen Füssen auf der Erde liegen.

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Ich treffe mich dann mit Aziz, er zeigt mir ein paar Sachen bei den Dromedaren, zum Beispiel sein Brandzeichen, aber die meiste Zeit verbringen wir mit reden. Dabei wechseln wir immer zwischen Französisch, deutsch, englisch und arabisch hin und her.
Es ist sehr spannend, was man über die Welt erfährt, wenn man einfach nur mal den Menschen zuhört, wie sie die Welt sehen. Vieles, aber durchaus nicht alles ergibt Sinn und je länger je mehr wird mir bewusst wie viel Vorurteil und Ignoranz in der westlichen Welt herrschen. Besonders gegenüber dem Islam. Das ist sehr schade, denn man könnte die Welt wirklich ein Stück besser machen, wenn man anfangen würde einfach mal den Leuten zuzuhören, anstatt sie direkt zu verteufeln.
Am Abend auf dem Camping gibt es eine grosse Tajine mit Kamelfleisch. Sie ist sehr lecker und das Fleisch kann man in drei Geschmacksrichtungen einteilen: Das Fleisch selbst hat die Konsistenz und Geschmack wie Rindfleisch, das Fett schmeckt extrem nach Kamel und das Beinfleisch sieht aus wie gekochte Pute, ist aber dermassen zäh, dass man es in sehr kleine Stücke schneiden muss. Eine Spezialität, wie man mir sagt.
Auch diese Nacht bleiben wir noch lange auf und reden. Wir haben ja Zeit.

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Am nächsten Tag fahren ich und Jakob los. Wir beschliessen nicht die N1 sondern eine Piste, die P1300, zu nehmen, die an der Küste entlangführt.
Nach etwa 60km Asphalt, durch eine trockene, hügelige und niemals enden wollende Landschaft, erreichen wir schliesslich die Piste. Wir haben noch kurz bei einem Gendarmen Halt gemacht, um nach Wasser zu fragen, und er hat sich riesig gefreut auch nur mal wieder Menschen zu sehen.
Die Piste ist anfänglich sehr gut, dann wird sie immer steiniger und schliesslich verschwindet sie im Boden. Buchstäblich. Unter uns ist ein Flussbett, etwa 150 Meter breit, steinig und Sandig, mit Büschen und einer steilen Böschung. Die Piste führt genau hindurch und so manövrieren wir unsere schwer bepackten Fahrräder in das Flussbett hinab. Der Fluss führt noch ein wenig Wasser, und weil es hier so schön ist, beschliessen wir dort unsere Zelte aufzustellen. Vom Nachthimmel und der Landschaft her lohnt es sich definitiv.
Am nächsten Morgen geht es die steile Böschung auf der anderen Seite wieder hinauf. Es ist nicht einfach über die ganzen Steine und Löcher, aber was solls, da oben wartet schliesslich eine gute Piste. Falsch gedacht. Oben angekommen wartet die schlimmste Piste, die ich bisher hatte. Mitten im Nirgendwo, zwischen Büschen und Steinen sieht man weder die Atlantikküste noch irgendein Dorf, wo man Wasser auffüllen könnte. Und durch diese Landschaft zieht sich eine steinige, unebene Piste. Jeder Stein gibt wieder einen Schlag auf das Fahrrad und ich fürchte mich bei jedem Schlag um meine Ausrüstung. Tack, Tack, Tack. Autsch, Tack, Tack, Tack Autsch. Wir schaffen an diesem Tag nur 35km und ich fange mir sogar einen Platten ein. Zum Glück kommen noch zwei 4x4 Lastwagen vorbei, die uns noch Wasser geben.


Irgendwann wird die Piste aber wieder sandiger und wir erreichen schliesslich den ausgetrockneten Fluss, der den Abzweiger zurück zur N1 markiert. Hier schlagen wir unser Lager für die Nacht auf. Durch den Mond und die Wolken sieht man leider nicht so viele Sterne.
Überraschenderweise waren wir gerade mal 7km von der Hauptstrasse entfernt und ich bin einfach nur froh, wieder auf Asphalt fahren zu können. Bis Tantan ist es noch hügelig und es geht mal rauf mal runter. Die Strasse scheint unendlich, links sieht man noch die Ausläufer des Atlas, und die Steine werden immer kleiner. Abends spät fahren wir mangels Campingplatz noch weiter bis nach El Ouatia, campen aber auf halber Strecke, da die Sonne bereits am Untergehen ist.

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Wir erreichen Ouatia früh am Tag und überlegen uns hier einen Tag zu rasten. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen mir und Jakob. Jakob lässt sich gerne treiben, legt alle paar Tage einen Ruhetag ein, macht wozu er Lust hat. Ich hingegen bin organisierter und mach am liebsten so viel Strecke wie möglich und plane immer voraus. Schliesslich entscheide ich mich dann doch hier einen Tag Ruhe einzulegen. Und es ist gut so. Es ist erstaunlich viel wieder aufgetaucht, das Reparatur benötigt und ich brauche auch Zeit fürs Internet. Ich will nämlich einige meiner alten Fotos verkaufen, was aufwändiger ist, als ich gedacht hatte. Und Lebensmittel müssen wir auch kaufen.

Weiter geht es dann mit vollem Gepäck. Obwohl noch viele Versorgungsmöglichkeiten kommen, habe ich Wasser vollgetankt und habe viel zu essen bei mir. Ich will einfach wissen, ob ich mit den jetzt 65 Kilo Gepäck überhaupt vorwärts komme.
Und es funktioniert. Die Strasse hier ist eben, mit leichtem Rückenwind kann man problemlos eine Geschwindigkeit von 20km/h über mehrere Stunden halten. Ab und zu rasten wir und trinken einen Tee.
Dann passiert das, was man in einer Wüste wohl am wenigsten erwartet. Nebel. Wir sind zwar direkt an der Küste, doch das hier ist kein Dunst sondern echter Nebel. Er hüllt die Umgebung in einen Mystischen Schleier, macht das Fahren angenehm kühl und sorgt dafür, dass man nicht verzweifelt, weil die Strasse einfach nicht mehr aufhört.

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Dann taucht aus dem Nebel eine Tankstelle auf. Mal wieder ein Gendarmerie Posten, der die Fahrzeuge kontrolliert. Ich mag die Gendarmen. Sie sind immer sehr freundlich und immer sehr über unsere Sicherheit besorgt. Vor einer Woche gab es in der Nähe von Marrakesch einen Anschlag auf zwei junge Touristinnen, die im Gebirge gezeltet haben. Sie wurden im Zelt ermordet und seitdem sind die Gendarmen noch mehr besorgt.
Mich selbst trifft dieser Vorfall auch. Ich bin verunsichert, ob ich selbst auch eines Tages so enden könnte, wegen ein paar Idioten, die nicht wissen was sie tun. Jedenfalls wird sich in Marokko bald noch einiges ändern. Zum Glück hab ich Jakob und die anderen Fahrradfahrer aus der WhatsApp Gruppe, die mich beruhigen und die sich auf keinen Fall von so einem Vorfall abhalten lassen, ihr Lieblingsland weiterhin zu bereisen.
Als die Polizisten uns dann einladen hinter dem Posten, direkt an der steil abfallenden Küste zu campen können wir nicht Nein sagen. Zwanzig Meter vom Zelt weg, fällt die Klippe dreissig Meter steil ab, unten sieht und hört man gewaltige Wellen gegen die Felsen schlagen und ein feiner Nebel überzieht im Nu das Zelt.
Die Sonne geht im Glühenden Nebel in den schönsten Farben unter und zum Klang der Wellen, schlafe ich schliesslich unbekümmert ein.