Der Eisenerzzug in Mauretanien

06.Jan.2019
Er gilt ein wenig als Legende unter den Reisenden, als wahres Abenteuer, dieser Zug.


Es ist einer der längsten Züge der Welt und transportiert Eisenerz vom Inneren Mauretaniens nach Nouadhibou an der Küste. Es verkehren drei Züge pro Tag hin und 3 zurück und sie können bis zu 2km lang sein. Und einer dieser Züge nimmt auch Passagiere und Material mit. Von Nouadhibou bis Choum fährt er leer, aber wenn man von Nouakchott nach Atar und von da nach Choum fährt, kann man auf den vollen Erzwägen sitzend und damit die 700km lange Strecke nach Nouadhibou fahren.
Ich nehme den leeren Zug ins Landesinnere nach Choum.

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Fahrplanmässig fährt der Zug immer um ein Uhr nachmittags los.
Es ist bereits sechzehn Uhr, ich bin zu spät dran, weil die Zollformalitäten vom Mauretanischen Zoll nach Guerguerat viel zu lange gedauert haben. Zum Glück nehmen befreundete Backpacker den selben Zug und sind bereits da und halten mich auf dem Laufenden.
Um 16.00 soll der Fahrplan rauskommen und um 21.00 soll er dann losfahren. Es soll auch schon vorgekommen sein, dass er erst um Mitternacht losfährt. Tja, this is Africa.
50km nach dem Zoll oder 10km vor Nouadhibou, kommt dann endlich ein halb verrostetes Schild auf dem „Gare des Voyageurs“ steht. Hätte ich das nicht gewusst, wäre ich wahrscheinlich daran vorbeigefahren, das Gebäude sieht nicht besonders offiziell aus.
Ich schiebe mein Fahrrad durch den Sand an das Gebäude. Ein paar Menschen warten vor dem rechteckigen Gebäude, eine Frau informiert mich dann sogleich, dass meine Backpacker Freunde in der Bahnhofshalle warten. Ich stelle kurz mein Fahrrad ab und gehe in die Bahnhofshalle. Hier ist nicht viel. Mehrere Reihen Sitze, wie in einem Flughafen, ein Gebetssaal, und ein Schild das darauf hinweist, dass es hier möglicherweise was zu essen geben könnte. Wie überall in Afrika sind die Bilder an den Buden und Shops eher Google Fotos als Fotos von dem was wirklich verkauft wird.
Ich treffe schliesslich Inga und Ken, ich kenne den Ken noch von Dakhla und ich bin froh, dass die Beiden mitreisen.
Ich lerne auch den Bahnhofsvorsteher kennen. Er scheint der Einzige seit langer Zeit zu sein, der seinen Job richtig ernst nimmt. Von seiner Kleidung her deutet nichts auf sein Amt hin, aber man merkt sofort wer er ist. Er unternimmt alles, dass die Reisenden stets gut informiert sind, genau wissen wohin und dass es ihnen auch gut geht. Soviel Eifer sieht man selten.

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Ich rede mit Inga und Ken, während wir auf den Zug warten. Schliesslich, ein wenig vor Sonnenuntergang, gehen wir zu den Gleisen. Viele Afrikaner warten bereits entlang der Gleise. Manche mit wenig Gepäck, andere haben haufenweise Kartons und Säcke aufgeschichtet.
Es gibt einen abgetrennten Bereich für die Leute, die mit dem Personenwaggon fahren. Aber wir wollen schliesslich gratis und in den Erzwaggons fahren.
Wir treffen *****, Ken und Inga haben ihn vorher kennengelernt und wir können mit ihm im Waggon mitfahren. Er trägt traditionelle Kleider und einen weissen Turban. Mit ihm zusammen laufen wir ein wenig weiter, damit wir genau im Zentrum von Choum ankommen. Während wir im Sand stehen und auf den Zug warten, unterhalten wir uns miteinander über Mauretanien und ziehen unsere wärmsten Kleider an.
Ein Wagen der Gendarmerie fährt vor und sie befragen die Leute. Ist ein Schweizer hier? Ja, bin ich. Seltsamerweise fahren sie aber gleich wieder weiter. Sie suchen nach Geld meint *****. Auf gut Deutsch, sie suchen nach einem Delikt, um ein wenig Geld herauszuholen. Die Mauren wollen immer nur Geld erklärt uns *****. Eine Ansicht, die ich bald auch teilen werde. Warum das so kam ist aber eine andere Geschichte.
Es ist bereits dunkel, als der Zug dann endlich kommt. *****steigt zwischen die Waggons, Ken klettert hinein und ich gebe das Material hoch. Zwei 50kg Säcke Reis, ein paar Kleinigkeiten, dir Rücksäcke meiner Freunde mein Fahrrad und alles verschwindet im Nu im Waggon.
Dann klettere auch ich da hinein. Ungefähr zweieinhalb mal acht Meter und 1.60 hoch mit glatten Stahlwänden. Etwas Eisenerzstaub klebt immer noch an den Wänden. *****rollt seine Matte und seine Decke aus und macht es sich erstmal gemütlich. Wir tun es im gleich. In meinem Fall heisst das, dass ich meine Plastikplane auslege und meine Satteltasche als Kopfkissen hinlege. Meine Anderen Satteltaschen dienen als Beschwerung. Ken und Inga haben Kartons auf denen sie ihre Schlafsäcke ausrollen.
Ein Beutel Sand fliegt in den Waggon. Dann erscheint ****. Wortlos leert er den Sand in eine Ecke. Toilette, sagt er.
Bevor es losgeht, kommt nochmal der Stationsvorsteher und kontrolliert, ob auch alles verladen und alle Passagiere im Zug sind. Plötzlich geht ein Knall durch alle Waggons und es gibt einen gewaltigen Ruck. Der Zug fährt los. Nach dem ersten Schrecken freuen wir uns riesig in diesem Zug zu fahren. Man fühlt sich wirklich wie ein grosser Abenteurer.

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Der Zug beschleunigt und im Schein unserer Stirnlampen zieht die Wüste dahin, während über uns die Sterne funkeln.
Doch jetzt kommt auch Staub auf. Teilweise vom aufgewirbelten Saharasand, wir fahren schliesslich mitten durch die Wüste und teilweise vom zurückgebliebenen Eisenerz. Die Augen fangen an zu brennen und schliesslich ziehe ich meine Sonnenbrille, an. Zusammen mit meinem Hellblauen Turban ist mein Gesicht ziemlich gut geschützt, nur dass ich jetzt nicht mehr viel sehe. Also lege ich mich schlafen. Den Schlafsack packe ich nicht aus, ich befürchte, der Staub könnte ihn ruinieren. Die Satteltasche als Kopfkissen wird unbequem, also wechsle ich auf mein Zelt, das ist bequemer. Der Boden ist sehr kalt, und der Fahrtwind tut einiges dazu bei, das mir kalt wird. Selbst im Waggon spürt man den Wind noch, Schliesslich ziehe ich Socken an, und wickle mich in meine Plane ein. Hauptsache ich habe ein wenig wärmer und einen Windschutz. Aber es ist immer noch kalt. Ich muss immer wieder aufstehen und ein paar Liegestütze machen, um wieder warm zu bekommen. Den Schlafsack hole ich nicht heraus. Wo immer der Staub eine Möglichkeit hat, kriecht er hin. Selbst unter meiner Sonnenbrille habe ich das Zeug. Irgendwie gelingt es mir dann noch noch ein paar Stunden zu schlafen. Aber immer wieder Schrecke ich hoch, weil wieder ein Knall durch alle Waggons geht, wie beim Anfahren.
Noch vor Sonnenaufgang weckt mich *****. Es ist bereits hell genug, dass man die Umgebung erkennt. Über Nacht hat sich die Wüste verändert. Es ist keine langweilige Steinwüste mit kleinen Büschen mehr. Es ist eine schöne Sandwüste mit kleinen Bergen, schönen Schirmakazien, Dromedaren und Rundhütten. Hier ist die Wüste, so wie man sie vor Augen hat, wenn man das Wort Sahara hört.
Aber es ist kalt und trotz des Morgenlichts und der Schönheit der Landschaft lege ich mich nochmals hin. Wenn auch nur um dem Fahrtwind ein Bisschen zu entgehen.
Schliesslich geht die Sonne auf und es ist ein wenig wärmer, so dass ich aufstehen kann. Auch die anderen Beiden sind jetzt aus ihren warmen Schlafsäcken gekrochen und sehen sich das Ganze an.
Alles ist von einem weissen feinen Staubfilm überzogen und zu meinem Schrecken, auch in meiner Lenkertasche, in der ich dummerweise viel Elektronik habe. Ich hoffe, das richtet keine grossen Schäden an

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Schliesslich kommt ein Dorf in Sicht. Viele Lehmhütten, von der Grösse, wie bei uns die Garagen sind, inmitten von Sand und Steinen. Ein Sendemast, die doppelstöckigen Waggons des Personenzuges, ein paar Baumaschinen sind die einzigen Zeichen der Moderne. Choum, unser Ziel.
Wir haben nur zehn Minuten, bevor der Zug weiterfährt. Zum Glück ist unser Zeug im Nu ausgeladen. Drei Autos stehen bereit, die Reisenden abzuholen. Inga und Ken verabschieden sich kurz und verschwinden dann mit den Taxis, die schnell wieder weiter fahren.
Ich nehme mein Fahrrad und erst jetzt fällt mir auf, dass hier ein extrem starker Wind weht. Meine Plane fliegt davon und erst nach einem 100 Meter Sprint, gelingt es mir sie wieder einzufangen. Ich packe mein Rad und verabschiede mich auch noch von **3 der neben seinen Reissäcken steht. Gegen den Wind mache ich mich auf ins Dorf, hin zu der gut asphaltierten Strasse, wo ich hoffentlich Rückenwind haben werde.
Was für ein Abenteuer

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